Hochaltar


Mittelpunkt der Kirche ist heute wieder der flandrische Hochaltar Antwerpener Herkunft um 1520. Die Werkstattarbeit ist ausgewiesen durch das Gildezeichen,eine eingebrannte Hand.

Der Altar gehört zu den besten Schnitzwerken des frühen 16. Jh., die heute noch im ehemaligen Herzogtum Jülich anzutreffen sind. Die Kirchen in Jülich-Barmen, Linnich-Boslar, Zülpich-Bürvenich, Jülich-Güsten, Titz-Müntz, Bergheim-Paffendorf, Titz-Rödingen, Aldenhoven-Siersdorf, Titz und Geilenkirchen-Süggerath bergen ähnliche Altarwerke aus Flandern, deren Besuch sich lohnt.

Das Schreinswerk des Linnicher Hochaltars war nach dem letzten Kriege mit fast allen Figuren unter dem Schutt des Chorgewölbes begraben. Die Linnicher Bürgerin G. Küpper konnte die noch erhaltenen Teilstücke sammeln und in ihrem Hause bergen. Ihr allein ist die Möglichkeit der Wiederherstellung des Altars zu verdanken. Er steht heute wieder auf der gotischen Altarmensaplatte von 1460 aus Namurer Blaustein. Nach einer 1847 erneuerten Inschrift stiftete Reiner von Palant, Propst in Kerpen, diese große Platte für die neuerbaute Kirche.

Das Schnitzwerk im Schrein des Hochaltars ist in zwölf Felder aufgeteilt. Mit Akribie ergänzten die Bildhauer A. Hellweg (Linnich) und K-H. Müller (Brühl) die wichtigsten der fehlenden Teile.

Das Gesamtthema des Antwerpener Schnitzaltars ist die "Passion des Herrn". In der Predella (Altarunterteil) zeigt die mittlere Szene die "Anbetung der Hirten", die rechte die "Drei Könige" und die linke die "Beschneidung im Tempel". Über den figurenreichen, tiefgestaffelten Szenen stehen beidseitig auf Konsölchen Kleinplastiken (zum Teil erneuert durch K.-H. Müller). Diese Kleinszenen weiten die zentralen Geschehnisse aus oder stellen wichtige Beziehungen zum Alten Testament her, so beim Mittelbild die "Begegnung von Maria und Elisabeth" und "Der Traum des Josef". Das Retabel (Oberteil) des Schreins enthält sechs Szenen in zeitlicher Folge. Es beginnt mit der "Geißelung", ihr folgen "Dornenkrönung", "Grablegung", "Auferstehung", "Christus in Emmaus". Mit dem "Ungläubigen Thomas" endet das Motivprogramm. Schwerpunkt des ganzen Altares ist die Kreuzigung im überhöhten Mittelfeld des Schreins, die in einem dreistufigen Szenarium eindrucksvoll geschildert wird. Ähnlich gestaltet sind auch die bewegten Figurengruppen der beiden niedrigen Seitenteile mit den Darstellungen der "Kreuztragung" und der "Abnahme des Leichnams vom Stamme". Diese drei großen Geschehnisse im oberen Teil sind umrahmt von einer Fülle von Kleinfiguren in gotischem Maßwerk. Sie bringen die Vorgänge der Hauptszenerien in Verbindung mit Begebenheiten aus dem Alten und Neuen Testament. Auch etliche dieser Kleinfiguren wurden in den achtziger Jahren von K.-H. Müller erneuert.

Bei den gemalten Außenflügeln übernahm der Meister von Linnich traditionsgemäß die vorgenannte Thematik, wobei er aus künstlerischen Gründen die Zeitenfolge nicht einhielt. Die linke Seite zeigt bei geöffnetem Zustand unten in der Predella die "Vermählung Mariens" und die "Engelverkündigung", darüber den "Einzug in Jerusalem" und "Christus am Ölberg". Die drei obersten Tafeln haben als Motive "Abendmahl", "Gefangennahme" und "Vorführung durch Pilatus". Auf der rechten Seite sieht man adäquat von oben nach unten: "Christus erscheint den Frauen", "Himmelfahrt" und die "Aussendung des Hl. Geistes". Darunter befinden sich die Motive "Der Auferstandene erscheint seinen Jüngern" und "Petrus auf dem Meer". In der Predella sind dies die "Darbringung im Tempel" und der dort lehrende "Zwölfjährige Jesus".
Bei geschlossenem Zustand beginnt die Bilderfolge in der Spitze es Altars mit "Christus und die Samariterin", neben ihr steht "Christus mit der Ehebrecherin". Die darunter befindlichen Bilder stellen von links nach rechts die "Heilung der Kranken am See Bethsaida", "Verklärung auf Tabor", "Auferweckung des Lazarus" und die "Heilung des Blindgeborenen" dar. Der Bilderzyklus wird abgeschlossen im Unterteil durch "Abraham und Melchisedech", die "Gregorsmesse", das "Abendmahl" und den "Mannaregen". Alle Tafeln des Linnicher Meisters lassen die hervorragende Maltechnik der Niederländer, ein ausgezeichnetes Farbempfinden und eine vorzügliche Kompositionsfähigkeit erkennen. Dabei gehen die Deutungen über die zum Teil etwas verzerrt dargestellte Anatomie sehr auseinander.

Die Flügelgemälde des Hochaltars schreibt man einem niederrheinischen Maler mit dem Notnamen Meister von Linnich zu, der im ersten Drittel des 16. Jh. in Antwerpen tätig war und dort einen Werkstattkreis um sich sammelte. Von seiner Hand sollen neben anderen auch die beiden Altarflügel aus der Kölner Karmeliterkirche im Wallraf-Richartz-Museum und eine kleine Tafel im Aachener Suermondt-Museum stammen. Dagegen rechnet man den Kreuzaltar im Linnicher Südschiff und den Hochaltar in Zülpich-Bürvenich zum Werkstattkreis eines anderen unbekannten Meisters.